Lavendel von Martine… Wenn man im Sommer die Provence besucht, leuchten in den Senken riesige hellblaue oder blaurote Felder, dabei eine Reihe wie die andere. In der Luft liegt Lavendelduft von den Blüten und aus den Destillerien. Neben den Feldern haben Bienen ihre „Sommer-Zelte aufgeschlagen“: Bienenstöcke, die von den Imkern dort aufgestellt werden. Am Straßenrand kann man hellen Honig erstehen, der einen ganz zarten Duft und Geschmack nach Lavendel hat.
Einer meiner Lieferanten bietet Lavendel-Essenzen in verschiedenen Qualitäten an. Das von mir am meisten geschätzte stammt von „Martine“. Nach einer weiten und abenteuerlichen Fahrt über schlechte „Straßen“durch menschenleere Gegenden mit niedrigen Eichenwäldern und wenig bewachsenen steinigen Flächen stellten wir endlich das Auto ab. (Die Landschaft erinnerte mich an die Geschichte vom „Mann, der Bäume pflanzte“..Angeblich ja ein Fantasieprodukt- nach dem Besuch eben DER Gegend, wo die Geschichte auch spielt, habe ich daran inzwischen meine Zweifel. 😉 )
Der letzte Teil des Weges musste zu Fuß zurückgelegt werden- über holprige, steinige Wege immer bergan, wo wir uns treffen wollten. Ich weiss nicht warum- in meiner Vorstellung war Martine ein betagtes gebeugtes Mütterlein, ewig fröstelnd, in ein dunkles Wolltuch gehüllt.
Wie sich heraus stellte, lag ich damit vollkommen falsch: Wir wurden von einer vor Energie sprühenden Frau empfangen, die mehr Ähnlichkeit mit der jungen Catherine Deneuve hatte als mit dem „Mütterlein“. Sie baute in 3. Generation in traditioneller Weise den Lavendel an. Als ihr Großvater damit begann, wurde er von den Nachbarn noch milde belächelt.
Inzwischen beduftet „Lavendel“ alles und jedes- vom Waschmittel über Raumspray bis hin zu Socken oder ähnlichem. In meiner Kindheit war Lavendel schwer angesagt- vorzugsweise bei älteren Damen- besonders gern bei solchen, die ungefragt über einen her fielen und Umarmungen einforderten. Wen wundert es, dass ich lange kein unbelastetes Verhältnis zu diesem Duft hatte…
Sobald ich mich ernsthafter in die Aromatherapie vertiefte, kam ich nicht mehr um diese Pflanze herum. Was war nur schon alles darüber erforscht worden! Je mehr ich darüber erfuhr, desto spannender wurde es. Lavendel ist nämlich nicht gleich Lavendel. Die Vielfalt der Pflanzenessenzen hat tatsächlich sehr viel Ähnlichkeit mit Wein- Auch da entscheiden viele Einzelheiten über die Qualität. z.B. die Zusammensetzung- damit auch Wirkung und Duft- ist in verschiedenen Anbauländern unterschiedlich :
Australien: Der Lavendel riecht grün und krautig- fast meint man, Teebaum darin zu erkennen, ein typischer Blütenduft fehlt fast völlig
Bulgarien: Der Lavendel riecht blumig, frisch und leicht
England: Dort wird gerade der Lavendelanbau wiederbelebt (zum Glück!)- Dieser Lavendel ist etwas herber und erfrischend.
Moldavien: Hier ist der blumige Eindruck noch stärker als bei bulgarischem Lavendel.
Ukraine: blumig, holzig, krautig
Frankreich:
etwas moosig, süß.
Da Frankreich leicht zu erreichen ist, sammelte ich dort meine ersten direkten -positiven- Erfahrungen mit Lavendel. Dort erfuhr ich, dass Zusammensetzung und Wirkung sich noch einmal je nach Höhe des Anbaus unterscheidet. So beeindruckend die riesigen „Lavendelfelder“ sind (nein- das ist meist kein Lavendel, sondern Lavandin) für die Aromatherapie gibt es noch bessere Varianten.
Von Martine erfuhr ich mehr über die Lavendelanbaumethoden. Die meisten Bauern „klonen“ ihren Lavendel- d.h. sie teilen ertragreiche Pflanzen. Das Öl dieser Stecklinge kann bereits im ersten Jahr gewonnen werden. So haben sich einige wenige ertragreiche Varianten herausgebildet.
Wie schon ihr Vater und Großvater sammelt Martine dagegen Samen, die durch Bienenbestäubung entstehen. Die Samen werden vorgezogen und in den Bergen der Provence auf mühsam angelegten Feldern ausgepflanzt.
Erst nach 3 Jahren kann man aus den noch zarten Pflänzchen zum ersten Mal ätherisches Öl gewinnen. Da die Samenbildung dem Zufall überlassen bleibt, sehen die blühenden Felder ganz anders aus als die üblicherweise bekannten: jede Pflanze unterscheidet sich von der Nachbarpflanze- in Größe, Blattgröße, Blütenfarbe. Um wieviel größer ist die Vielfalt der Duftstoffe als wenn sich alle wie ein Ei dem anderen gleichen!
Im Juli werden die Pflanzen abgemäht und einige Tage an der Sonne getrocknet, dabei immer wieder gewendet und gelockert.
Üblicherweise werden die Pflanzen sofort nach dem Schnitt, noch auf dem Feld, weiterverarbeitet- wodurch die gewonnene Ölmenge natürlich größer ist- aber auch viel krautiger und gröber als der zarte und volle Duft des traditionell verarbeiteten Lavendels!
Auch wenn noch so viele Siegel daran kleben- so lange ich die Produzenten, ihre Anbauflächen und Arbeitsmethoden nicht selbst kennenlernen konnte- ist für mich als Biologin Lavendel aus Wildsammlung dem mit Bio-Siegel immer noch vorzuziehen. (Ob ein Lavendel geklont oder über Samenvermehrung entsteht, ist dafür nämlich völlig uninteressant). Sanoflor (z.B. ein Produzent für Bio-Lavendel)- was es leider nicht mehr gibt- hatte Felder inmitten der Wildnis, wo der Lavendel in allen Formen und Farben nahezu ungestört vor sich hin wachsen konnte. Das muss aber nicht so sein- und das sieht man dem Siegel leider nicht an. Das Schneiden von wilden Pflanzen pflegt einerseits den Lavendel (das weiss jeder, der seinen Lavendel im Garten wild hat wuchern lassen..), bringt aber auch ein sehr schönes Lavendelöl.
Ein weiteres bevorzugtes Lavendelöl kommt auch aus Frankreich: Über eine Bekannte erfuhr ich von 2 Idealisten, die ihren Urlaub dazu nutzen, wilden Lavendel oberhalb der Baumgrenze zu schneiden.
Dort gibt es weit und breit keine Industrie und auch keine Straßen. Das bedeutet, den mühsam gesammelten Lavendel in einer Art „Schlitten“ vorsichtig ins Tal zu bringen und erst dort zu destillieren- immer noch weit ab jeglicher „Zivilisation“.
Das wunderbare Ergebnis wirkt viel „klarer“ als alle Lavendel-Öle, die ich bis dahin kannte. Leider beträgt die Jahresproduktion hier lediglich um 4kg.
Wozu lässt sich Lavendel verwenden- außer in Parfums?
Kurz gesagt- im Prinzip für alles, was an Krankheiten, Störungen und Zipperlein auftreten kann .. 😉 Wenn man in schwer zugängliche Gegenden fährt, sollte man Lavendelöl dabei haben. Was die meisten kennen: es wirkt beruhigend. Man hat gefunden, dass es vergleichbar wirkt wie Valium- aber ohne die vielen üblen Nebenwirkungen. Auch bei Verbrennungen, Erkältungen, Grippe, nervösen Herzbeschwerden, Ekzemen, Hautpilzen hilft es. Es ist krampflösend, entzündungshemmend, antibakteriell, stimmungsaufhellend und vieles mehr. Allgemein gesagt: bringt es „in Harmonie“. Ein „Zuviel“ wird gemindert- ein „Zuwenig“ erhöht. (Wenn man an Medikamente gewöhnt ist, deren Einsatz genau definiert ist, mag einem das komisch vorkommen: man darf aber nicht vergessen, dass es sich bei den Pflanzenessenzen immer um einen fein abgestimmten „Cocktail“ verschiedenster Wirkstoffe handelt.) Deshalb kann man es z.B. sowohl bei hohem als auch niedrigem Blutdruck anwenden. (Wenn ich irgendwo in der Pampa war, kein Arzt, keine Apotheke weit und breit, hat es mir so manches Mal aus der Patsche geholfen!)
Ein Wermutstropfen bleibt: Irgendwo zwischen Ernte und Verkauf vermehrt sich die Menge des geernteten Lavendelöls auf wundersame Weise um ein Vielfaches. Die einen strecken das Öl mit verschiedenen Chemikalien (die für sich nicht unbedingt gesundheitsschädlich sein müssen- aber die Wirkung erheblich beeinträchtigen können), die anderen „stellen“ das Öl auf bestimmte Werte „ein“, weil die Zusammensetzung in jedem Jahr schwankt (Standardisierungen sind eben nicht „natürlich“. Gesünder sind Schwankungen allemal.). Man schätzt, dass nur ca. 3% des angebotenen Lavendelöls unverfälscht sind. Auf die Zertifikate kann man sich nicht immer unbedingt verlassen. Zum Glück ist hier ein direkter Kontakt zu den Produzenten möglich- und darüber hinaus gibt es die Analysen, an denen man Panschereien ablesen kann- selbst wenn chemisch „identische“ Streckmittel verwendet wurden.
Von meinem ursprünglichen Widerwillen gegen Lavendel ist jedenfalls nichts mehr geblieben! 😉
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